Entscheiden – die Herausforderung des täglichen Führungsalltags

„Die Erfolgsgeschichten von heute sind die riskanten Entscheidungen von gestern“.

                                                                                                      Stuart Crainer

 

Zur Kernkompetenz von Führungskräften gehört das Entscheiden. Tagaus, tagein treffen sie eine Vielzahl von Entscheidungen. Dabei haben sie in verstärktem Maß die zunehmende Dynamik und Komplexität des Wirtschaftslebens zu bewältigen. Mit der Qualität ihrer Entscheidungen bestimmen sie über Erfolg und Misserfolg ihrer Organisation – und ihrer eigenen Karriere als Führungskräfte. Wie trifft man „kluge Entscheidungen“? Was macht den Unterschied zwischen einer guten und einer Fehlentscheidung aus?1 Es lohnt sich, das Phänomen des Entscheidens näher zu beleuchten.

Nüchtern gefasst: Entscheiden ist die „selbstverständliche“ Basisoperation in jeder Organisation, in den meisten Teams – und im Leben jedes einzelnen Menschen. Dennoch geht sie manchen  Menschen leicht von der Hand und andere „leiden“ bei jeder folgenreichen Entscheidung. Es geht immer wieder um die Bewältigung von Zielkonflikten und Paradoxien. Menschliche Handlungsbedingungen sind durch Widersprüchlichkeiten, Ungereimtheiten und Unsicherheit gekennzeichnet. Immerfort müssen wir zwischen Alternativen wählen, die uns unterschiedlich attraktiv erscheinen oder deren Konsequenzen wir nicht kennen. 

Entscheiden und Risiko

Voraussetzung und Essenz jeder Entscheidung ist das Eingehen oder Nicht-Eingehen eines Risikobündels. Entscheiden heißt, den Übergang von der Unsicherheit (und den damit verbundenen potentiellen Möglichkeiten) ins Risiko zu vollziehen. Und ein Risiko einzugehen bedeutet, die Möglichkeit des Scheiterns als Voraussetzung für Ertrag und Erfolg in Kauf zu nehmen. Das lockt, macht Angst, und erfordert Mut, lähmt oder beflügelt. Die Entscheidung bringt uns auf der einen Seite an das Risiko und die Gefahren heran, auf der anderen Seite auch an die Chancen (des Gelingens). Weil uns - biologisch betrachtet - die Abwehr von Gefahren näher steht, kann es passieren, dass wir aus Angst Chancen nicht ergreifen oder zu lange zögern und zuwarten. Das Risiko, eine Entscheidung zu treffen, die sich in der Folge als falsch herausstellt, ist mit dem „Risiko, dass sich die (Entscheidung zur) Nichtentscheidung als noch größerer Fehler herausstellen kann,“2 verbunden. Entscheiden als „eine Unterscheidung mit Folgen“ verbindet Denken und Fühlen, Diskutieren und Planen auf der einen Seite mit Handeln, Investieren, Erfahrungen machen, Reflektieren und Erfahrungslernen auf der anderen Seite.

Die drei wichtigsten Entscheidungsarten im Management

Tichy und Bennis kommen in ihrer Studie zum Schluss, dass die meisten wichtigen Managemententscheidungen einen der drei Kernbereiche

  • Personal,
  • Strategie und
  • Krisen

betreffen.3 Diese Entscheidungen verdienen die größte Aufmerksamkeit und erfordern entsprechend Zeit:

  • Personalentscheidungen sind von grundlegender Bedeutung. Es gilt, die richtigen Leute ins Team zu holen und Nachwuchskräfte zu entwickeln, die ihrerseits über ein gutes Urteilsvermögen verfügen. Bei der Auswahl und Entwicklung von „Personal“ steht nicht nur die einzelne Person im Vordergrund, sondern immer auch das Team, in und mit dem die Menschen arbeiten. Die richtigen Personalentscheidungen getroffen zu haben, ist eine der wichtigen Voraussetzungen, wenn es um strategische Entscheidungen und Entscheidungen in Krisensituationen geht.
  • Mit strategischen Entscheidungen werden Rahmen und Richtung der kommenden Entscheidungen in der Organisation vorgegeben. Das geschieht primär auf der inhaltlichen Ebene, oft planvoll mit übergeordneten Zielen, Geschäftsfeldern usw. Gleichzeitig liegt eine wichtige Bedeutung der Strategiearbeit darin, dass sich die Organisation im Zuge des Strategieprozesses selbst zum Gegenstand der Beobachtung macht und über die eigenen gegenwärtig gültigen Entscheidungsprämissen nachdenkt. „Strategisches Entscheiden in Organisation ist zu verstehen als ein Entscheiden über … Entscheidungsprämissen“4 und damit eine sehr wichtige Orientierungsleistung für das Management. (siehe unten: Entscheidungsprämissen)
  • Entscheidungen in der Krise sind sehr anspruchsvoll, weil sie mit höherem Handlungsdruck und Risiko und in der Regel auch mit intensiven Emotionslagen verbunden sind. Energie und Konzentration sind geballt vorhanden, es geht um viel. Gelingt es, sich auf die wichtigen Entscheidungen zu konzentrieren und die Prozesse so zu gestalten, das Kräfte freigesetzt und nicht ausschließlich zur Gefahrenabwehr und Kosteneinsparung eingesetzt werden, kann eine positive Grunddynamik entstehen. Es wird möglich, die Chancen der Krise zu entdecken und zu nutzen.

Gewinnen oder Verlieren – worum geht es bei Entscheidungen?

Häufig erkennt man erst geraume Zeit später anhand von Wirkungen, Folgeent­scheidungen und verändertem Handeln, dass eine wirklich relevante Entscheidung tatsächlich „gefallen“ ist und wie weitreichend ihre Wirkung ist. Oder aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass groß angekündigte Beschlüsse ohne Konsequenz bleiben.

Nüchtern gesagt: Das Entscheidende bei den Entscheidungen sind die Ergebnisse. „Enthusiasmus, guter Wille, Fleiß und Intelligenz – das alles hilft. Doch das Ergebnis zählt.“5 Egal wie klug die Entscheidung gedacht und wie sinnvoll das Vorgehen geplant wurde, wird eine Entscheidung nicht erfolgreich umgesetzt, ist sie eine Fehlentscheidung.

Was hilft, um die Kunst des klugen Entscheidens zu erlernen und zu praktizieren?

Tichy und Bennis kommen zu zwei Kernaussagen: Kluges Entscheiden hängt vom „übergeordneten Prinzip“ (den Entscheidungsprämissen) und einem entsprechenden Entscheidungsprozess ab.6

Die Bedeutung der Entscheidungsprämissen

Entscheidungen müssen in einen entsprechenden Kontext eingebettet sein oder anders formuliert: Entscheidungen basieren auf Entscheidungsprämissen, die auf der einen Seite selbst in Strategieprozessen gestalt- und formbar sind und auf der anderen Seite als „unentscheidbare Entscheidungsprämissen“ (Luhmann) anzuerkennen sind. Prämissen definieren den Korridor, innerhalb dessen entschieden wird, vollbringen damit eine wichtige orientierende und strukturierende Funktion. „Durch die Festlegung der Prämissen setzt sich die Organisation einen Rahmen, innerhalb dessen sie ihre Informationen verarbeitet, ihre Kommunikation strukturiert und ihre täglichen Entscheidungen trifft. Dabei legen die Entscheidungsprämissen die künftigen Entscheidungen noch nicht fest, denn die Entscheidung findet ja erst in der Zukunft statt. Ihre eigentliche Leistung liegt in der Fokussierung der Kommunikation auf die in den Prämissen festgelegten Unterscheidungen, Themen, Vorhaben und Prioritäten.“7

Die Gestaltung des Entscheidungsprozesses

Jeder Beschluss ist kein für sich alleinstehendes Ereignis, sondern das Resultat eines Prozesses, den es zu formen gilt. Diese Gestaltung wird in der Regel bestimmt durch

  • die beteiligten Individuen mit ihren persönlichen Entscheidungspräferenzen
  • die involvierten Teams und deren Gruppendynamik und
  • die Organisation mit ihrer kulturellen Prägung und ihren jeweiligen Umwelten.

Es bieten sich verschiedene Entscheidungsprozesse an (vgl. Tichy/Bennis, Sutrich Entscheiderlandkarte, uam.): Wir beziehen uns auf die einfache und wirkungsvolle Zusammenstellung von Tichy und Bennis (vgl. Abb. 1).8

Manager mit einem guten Urteilsvermögen begreifen Entscheidungen als Prozess, nicht als abgeschlossenes Ereignis. Dieser Prozess umfasst drei Phasen. Ein wichtiges Element des Entscheidungsprozesses ist die Überarbeitungsschleife. Darunter verstehen wir die Möglichkeit, eine Stufe zurückzugehen, wenn Führungskräfte einen Schritt übersprungen haben oder nicht erfolgreich waren. Solche Überarbeitungsschleifen lassen sich an bestimmten Punkten in den Prozess einbauen.

Vorbereitung

Entscheidung

Umsetzung

-  Signale in seinem Umfeld registrieren

-  komplexe Themen durchdringen und den Kern des Problems erfassen

-  eindeutige Parameter festlegen

-  einen Kontext schaffen und eine gemeinsame Sprache etablieren

-  wichtige Interessen-gruppen identifizieren

-  die Interessen-gruppen motivieren und sie einbinden

-  die besten Ideen aus allen Quellen nutzen

-  eine klare Ja/Nein-Entscheidung treffen

-  die Entscheidung sorgfältig erklären und begründen

-  sich an der Umsetzung beteiligen

-  andere Beteiligte unterstützen

-  eindeutige Meilensteine festlegen

-  kontinuierlich Feedback einholen

-  zuhören und Feedback beachten

-  Anpassungen vornehmen

erkennen und identifizieren

eingrenzen und benennen

mobilisieren und überzeugen

entscheiden

realisieren

lernen

und anpassen

 

   

 

 

 

 

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Abb. 1: Phasen des Entscheidungsprozesses
Tabelle als Grafik downloaden (PDF)

Bei den einzelnen Menschen in Organisationen geht es um ein konstruktives Wechselspiel von Können, Müssen und Wollen. Eine gute Verbindung von Sachlogik und Gefühls­dynamik ist eine notwendige Kompetenz für Managementteams, um strategische Unsicherheiten zu meistern und eine verbindliche, zügige Umsetzung von Entscheidungen zu erreichen. Der Mythos des rationalen Entscheiders oder des rationalen Entscheidens ist längst als solcher entlarvt und nicht mehr gültig.

 

Unser Entscheidungs- und Risikoverhalten

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Menschen ein unterschiedliches Verhalten beim Lösen von Problemen und Treffen von Entscheidungen an den Tag legen. Auch das eigene Verhalten variiert, abhängig von der jeweiligen Situation, in der wir entscheiden und vom jeweiligen Sachverhalt, den wir lösen wollen: mal gehen wir sehr sorgfältig vor, mal entscheiden wir spontan und „aus dem Bauch heraus“.

Individuelles Verhalten in Entscheidungs- und Problemlösungssituationen zeigt, über eine längere Zeitstrecke betrachtet, dennoch keine unbegrenzte Variationsbreite, wie dies die punktweise Fokussierung einzelner Entscheidungen oder Lösungsprozesse suggerieren mag. Es gibt immer auch ein gewohnheitsmäßiges Verhalten, das von der individuellen Person abhängt mit ihren Prägungen und ihren erlernten Verhaltensweisen und sozusagen „typisch“ für sie ist.

Kennen Sie Ihr charakteristisches Entscheidungsverhalten? Mit dem KAIROS Entscheiderprofil©9 steht uns ein Instrument zur Verfügung, das es uns ermöglicht, die individuellen Entscheidungsmuster sichtbar und damit reflektierbar zu machen. Das Profilbeleuchtet das individuelle habituelle Entscheidungsverhalten in den acht Dimensionen: energisch, pragmatisch, sorgfältig, flexibel, intuitiv, kommunikativ, unabhängig, besonnen. Die beraterunterstützte Reflexion des KAIROS Entscheiderprofils© ermöglicht es, das eigene Entscheidungsverhalten besser kennen zu lernen und – wo sinnvoll – anzupassen.

Interessiert mehr zu erfahren? Bitte entscheiden Sie.

llse Hantschk, Gerhard Klocker

 

 

Literatur

1 vgl. Tichy, Noel/Bennis, Warren: Wie man kluge Entscheidungen trifft, HarvardBusiness Manager, November 2007, 50 – 64

2 Groth, Torsten: Entscheiden im Zeitalter der Globalisierung – Achtsamkeit statt Fassadenbau, Hernsteiner 4/2006

3 Tichy, Noel/Bennis, Warren: Wie man kluge Entscheidungen trifft, HarvardBusiness Manager, November 2007, 52ff

4 Glatzel, Karin: Weder Organisation noch Netzwerk – Struktur, Strategie und Führung in Verbundnetzwerken, Carl-Auer Verlag, 2012, 134

5 Tichy, Noel/Bennis, Warren: Wie man kluge Entscheidungen trifft, HarvardBusiness Manager, November 2007, 64

6 vgl. ebenda, 52ff

7 Glatzel, Karin: Weder Organisation noch Netzwerk – Struktur, Strategie und Führung in Verbundnetzwerken, Carl-Auer Verlag, 2012, 135

8 Tichy, Noel/Bennis, Warren: Wie man kluge Entscheidungen trifft, HarvardBusiness Manager, November 2007, 58

9 KAIROS wurde entwickelt von Lanzenberger Management Diagnostik & Sutrich Organisationsberatung

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